Es ist uns wichtig, diesen Artikel unseres Glücksbotschafters Michael Thiel hier zu veröffentlichen.
Jugendliche bewerfen Polizisten mit Flaschen und Böllern – weil sie keine Gratis-Klamotten bekommen. Die völlig vermurkste PR-Aktion eines Modelabels führt bei enttäuschten Jugendlichen zu hässlichen Gewalt-Eskapaden an der Hamburger Mönckebergstraße. Wie es so weit kommen konnte, erklärt ein Diplom-Psychologe.
Die Hamburger Mopo hat mit dem Diplom-Psychologen Michael Thiel (62) gesprochen – über mangelndes Selbstwertgefühl, Gruppendynamik und die fatalen Folgen der Corona-Pandemie. Im Interview sagt Thiel, dass Jugendliche, die bei Anlässen wie dem in der Mönckebergstraße Aggressionen rauslassen, oft ein „niedriges Selbstwertgefühl haben. Die denken: um mich kümmert sich eh keiner, ich bin wertlos. Sie haben vielleicht keine Ausbildung, keinen Job, keine Freunde. Und das Gefühl, ihren Eltern ist es egal, wie es ihnen geht.“
Thiel: „In ihnen drin entsteht so das Bild, selbst ein Loser zu sein. In der Gruppe fühlen sie sich wertvoller und bekommen Bestätigung. Anerkennung anderer Jugendlicher spielt in diesem Alter eine große Rolle.“
„Wenn ich mich prügele, bekomme ich ein Gefühl von Macht und bin was wert“
Der Hamburger Experte sagt zudem, Jugendliche hätten gelernt: „Wenn ich mich prügele, bekomme ich ein Gefühl von Macht und bin was wert. Einer fängt an, die erste Flasche fliegt, der Böller wird gezündet. In der Gruppe wird die Aggression noch extra gepusht, die Hemmschwelle sinkt, Grenzüberschreitungen werden leichter. Da wird sogar vor der Polizei nicht Halt gemacht.“
Laut Thiel gibt es auch ein Zusammenhang zwischen den Aggressionen auf der Straße mit den Corona-Maßnahmen. „Durch die Corona-Pandemie haben viele Jugendliche jetzt einen maximalen Nachholbedarf beim Spaß haben und Konsumieren. Sie reagieren deshalb auf jede Einschränkung mit extremem Frust. Wir Psychologen nennen das Reaktanz: Wenn unsere Freiheit durch Verbote eingeschränkt wird, machen wir genau das Gegenteil von dem, was von uns verlangt wird.“
Was bräuchten diese gewaltbereiten Jugendlichen eigentlich?
Thiel: „Kinder und Jugendliche müssen idealerweise das Glück haben, dass ihre Eltern sie bedingungslos lieben und ihre Signale schon als Baby verstehen und prompt darauf reagieren. So entsteht eine sichere Bindung und das innere Selbstbild: „Ich bin o.k. und liebenswert!“ Wer so ins Leben startet, braucht keine Gewalt, um sich besser zu fühlen. Wir alle benötigen mindestens einen Menschen in unserem Leben, der uns vermittelt: Auch wenn ich dein Verhalten nicht immer gut finde – so wie du bist, finde ich dich grundsätzlich klasse! Das stärkt unsere innere Widerstandskraft. Besonders Jugendliche brauchen außerdem die Möglichkeit, zu zeigen, was sie können, indem sie Hobbys pflegen und ihre Talente entdecken dürfen, eine sinnvolle Ausbildung oder Arbeit finden. Niemand kommt als Gewalttäter zur Welt – er wird dazu gemacht, weil er oft viel zu früh zu viele Kränkungen erleiden musste.“
Quellen: Wir zitieren aus Focus online vom 07.03.2023 und Mopo vom 06.03.2023
Beitragsbild: Daniel Bockwoldt / dpa Polizisten kontrollieren am Samstag in der Mönckebergstraße mehrere Jugendliche