Dialog im Stillen: Besuch der Schülerinnen und Schüler der Klasse 9e der Max Brauer-Schule
In Deutschland leben ca. 16 Millionen hörgeschädigte Menschen; 80.000 davon sind gehörlos; über 100.000 sind auf eine Dolmetscherin bzw. einen Dolmetscher angewiesen. Das waren die Eingangsinformationen für 23 aufmerksame und sehr interessierte Schülerinnen und Schüler der Klasse 9e der Max-Brauer-Schule. Der pädagogische Workshop war der Einstieg in den Besuch der Ausstellung „Dialog im Stillen“ im Dialoghaus Hamburg am Alten Wandrahm 4.
Es gibt für Gehörlose und hörgeschädigte Menschen heute zwar schon viele technische Hilfsmittel (z.B. Wecker mit Vibration und Lichtblitz) … aber zahlreiche Barrieren im Alltag sind leider immer noch vorhanden. So können z.B. die Durchsagen in den S- und U-Bahnen nicht gehört werden und vielfach (meistens!) werden sie nicht digital angezeigt, obwohl das möglich wäre. Bei zahlreichen (auch politischen) Veranstaltungen fehlt in Deutschland die Übersetzung in Gebärdensprache oder es gibt nur wenige Sendungen mit Untertitel im Fernsehen. Gehörlose werden besonders in Deutschland als behinderte Menschen angesehen und „auf das Ohr reduziert“ und eben nicht als Menschen insgesamt gesehen.
Das Ablesen von Wörtern und Sätzen von den Lippen ist sehr schwierig, weil viele Menschen nicht deutlich und zu schnell sprechen. Bei einigen praktischen Übungen mit den Schülerinnen und Schülern wurde dies sehr deutlich, vor allem wenn es um „kleine“ Unterschiede ging: Mutter oder Butter, Eis oder heiss. Bei ganzen Sätzen steigert sich die Schwierigkeit des Lippenablesens nochmals deutlich. Versuchen Sie es mal selbst in Ihrer Gruppe, Klasse oder Familie: „Der Himmel ist blau“; „Die Katze jagt die Maus“; „Der Vater tanz sehr gerne“ oder „Der Elefant kommt aus Afrika“. Um die Kommunikation zu verbessern, gibt es die Gebärdensprache. Neben den einzelnen Gebärden kommt es hier besonders auf Mimik und auf das Mundbild an. In den Staaten der Welt gibt es ca. 200 verschiedene Gebärdensprachen und dann noch Dialekte innerhalb einzelner Gebärdensprachen.
Wenn man Gebärden nicht kennt, setzt man das Fingeralphabet ein. Auch hier übten die Schülerinnen und Schüler ihren eigenen Vornamen zu buchstabieren. Ausschnitte aus verschiedenen YouTube-Filmen mit tauben Hip-Hop-Tänzern aus den USA; mit Signmark, einer finnischen Hip-Hop-Band, Kopf der Gruppe ist der gehörlose Rapper Marko Vuoriheimo, der unter dem Pseudonym Signmark arbeitet. Zusammen mit den beiden Hörenden Heikki „Mahtotapa“ Soini und Kim „Sulava“ Eiroma bildet er die nach ihm benannte Band: https:\/\/www.youtube.com/results?search_query=signmark.
Im Nachhinein gab es für alle noch eine große Überraschung. Laura Valyte: „Ich bin in Litauen mit gehörlosen Eltern und einer hörenden Schwester aufgewachsen. In meiner Familie wird deshalb nur in Gebärdensprache kommuniziert. Als kleines Kind hatte ich den Traum Tänzerin zu werden, aber es wurde immer gesagt, dass ich als Gehörlose keine Chance hätte. Trotzdem habe ich nicht aufgegeben und 2010 sogar in der litauischen Version von „Let’s Dance“ den ersten Platz abgeräumt. Letztes Jahr wurde ich nach Stockholm zum Eurovision Song Contest eingeladen und habe dort die Lieder in International Sign übersetzt, also in Gebärdensprache präsentiert. Das waren besondere Momente, bei denen ich mich beweisen und somit in der Öffentlichkeit erste Vorurteile ausräumen konnte. Dieses Ziel verfolge ich mit viel Engagement und Spaß auch als Guide in der Ausstellung. Es wird Zeit, dass die hörende Gesellschaft uns Gehörlosen nicht mehr mit Mitleid gegenüber tritt und aufhört, uns Grenzen zu setzen und vorzuschreiben, zu was wir fähig oder bestimmt sind.“ https:\/\/dialog-in-hamburg.de/staff-member/laura-valyte/ – Genau diese Laura Valyte hat diesen Workshop für die Schülerinnen und Schüler der Klasse 9e der Max-Brauer-Schule im Dialoghaus Hamburg durchgeführt.